Ostdeutsche Grundversorger verlangen mehr Geld für ihre Tarife als westdeutsche Unternehmen. Dieses Fazit ziehen die Autoren der Studie “Auswirkungen der Energiewende auf Ostdeutschland”. Die Bundesregierung hatte den Bericht in Auftrag gegeben. Die Wissenschaftler befassen sich dabei mit Kosten und Nutzen, welche die Förderung erneuerbaren Energien den neuen Ländern bringt.
Erneuerbare Energien verursachen höhere Netzentgelte
Netzentgelte schlagen alle Grundversorger auf ihren Strompreis auf, doch ein Vergleich zeigt deutliche regionale Unterschiede. Für Kunden von ostdeutschen Grundversorgern verkünden die Verfasser der Studie eine schlechte Strom News: Im Schnitt liegt die Gebühr bei diesen um einen Cent pro Kilowattstunde höher als in den alten Bundesländern. Bei einem Stromverbrauch von 3000 Kilowattstunden im Jahr macht das immerhin dreißig Euro aus. Tatsächlich fallen die Mehrkosten noch höher aus, auf dieses Entgelt erhebt der Staat noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Der durchschnittliche Mehraufwand beträgt demnach etwa 1,2 Cent pro Kilowattstunde, wobei er in einigen Gebieten noch deutlich höher liegt. Dieser Unterschied gründet zum einen in den Kosten, welche die Einspeisung erneuerbarer Energien zeitigt. Aufgrund des unbeständigen Ertrags dieser Anlagen haben die Netzbetreiber einen intensiven Regelungsbedarf. Angesichts der vielen Windparks im Osten, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, müssen die Netzbetreiber überproportional hohe Kosten an ihre Kunden weitergeben.
Dünne Besiedlung treibt Netzentgelte nach oben
Zum anderen benennen die Autoren der Studie einen weiteren Grund für die hohen Netzentgelte, den nicht die Energiewende verantwortet: die dünne Besiedlung Ostdeutschlands. Netzbetreiber müssen überdurchschnittlich viel Geld in den Bau und in die Instandhaltung investieren und wälzen diese Kosten auf eine vergleichsweise geringe Anzahl an Verbrauchern ab. Im Osten Deutschland finden sich wenig Ballungsräume, dagegen viele Regionen mit spärlicher Besiedlung. In Mecklenburg-Vorpommern wohnen zum Beispiel 69 Menschen auf einem Quadratmeter. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser Durchschnittswert dagegen bei 515.
Ost-Beauftragter der Regierung mahnt vor Ungleichbehandlung
Christoph Bergner, der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, kritisiert den aktuellen Zustand. Er fordert dazu auf, die Ostdeutschen nicht zu stark zu belasten. Der Regierungsvertreter weist darauf hin, dass angesichts des niedrigen Lohnniveaus in den neuen Ländern die Mehrkosten noch heftiger zubuche schlagen. Auch bei der Gesamtbewertung der Energiewende kommt er aus ostdeutscher Perspektive zu einem skeptischen Fazit: Zwar stamme ein überproportionaler Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien, mittlerweile knapp dreißig Prozent des Bruttostromverbrauchs, aber die Ostdeutschen würden kaum davon profitieren. Die Anlagen stünden zwar in den neuen Ländern, aber größtenteils würden Investoren aus anderen Regionen Deutschlands die Erträge einstreichen. Positiv seien aber die vielen Arbeitsplätze, die der Erneuerbare-Energien-Sektor in Ostdeutschland geschaffen habe. Allerdings hat sich dort vor allem Fotovoltaik-Industrie angesiedelt, die sich aktuell in einer Krise befindet.
Ostdeutsche Verbraucher können Kosten mit Anbieterwechsel entgehen
Das Problem der unterschiedlichen Netzentgelte könnte mit einer einheitlichen Gebühr in ganz Deutschland gelöst werden. Es spricht aber nichts dafür, dass Verbraucher auf absehbare Zeit darauf hoffen können. Dennoch müssen sie sich mit der Situation nicht zufriedengeben, mit einem Tarifwechsel meiden sie die Mehrkosten. Die hohen Netzentgelte betreffen jeweils die regionalen Grundversorger und deren Kunden. Aber seit der Liberalisierung des Stromnetzes kann jeder Verbraucher seinen Lieferanten frei wählen, bundesweit buhlen Hunderte Unternehmen um Kunden. Wer als Ostdeutscher auf einer Vergleichsseite nach einem günstigen Tarif sucht und anschließend einen Wechsel durchführt, entzieht sich dieser finanziellen Belastung. Ein günstiger Lieferant aus Hamburg oder München beliefert all seine Kunden zu den gleichen attraktiven Konditionen, egal, ob diese vor Ort, in Dresden, Berlin, Magdeburg oder auf Rügen wohnen.